Künstliche Empathie – ein Gespräch mit Jochen Werner über Technologie und Menschlichkeit

19. Mai 2025 – veröffentlicht von: Detlef Büttner

Vergangene Woche hatte ich die besondere Gelegenheit, mich im Rahmen des einstündigen Lehmanns Talk mit Prof. Jochen A. Werner, Vorstandsvorsitzender der Universitätsmedizin Essen und Co-Autor des Buches „Künstliche Empathie“, auszutauschen.

Im Zentrum unseres Gesprächs stand eine zentrale Frage:
Wie kann Künstliche Empathie dazu beitragen, die medizinisch-psychische Versorgung in unserem Gesundheits- und Pflegewesen nachhaltig zu verbessern?

Warum Künstliche Empathie jetzt wichtig ist:

Angesichts des demografischen Wandels und eines wachsenden Fachkräftemangels bietet der gezielte Einsatz von KI-Systemen mit empathischen Fähigkeiten großes Potenzial. Prof. Werner machte deutlich: Es braucht eine menschenzentrierte Weiterentwicklung, um technologische Lösungen sinnvoll und ethisch verantwortungsvoll in die Versorgung zu integrieren.

Chancen und Anwendungsfelder

Im Talk wurden konkrete Einsatzmöglichkeiten diskutiert – hier ein Überblick über die wichtigsten Potenziale:

1. Früherkennung und psychische Unterstützung

KI-Systeme können durch Sprach- und Verhaltensanalyse frühzeitig psychische Belastungen erkennen. Beispiele:

  • Chatbots wie ADA Health, die einfühlsam auf sensible Themen wie Suizidgedanken reagieren und an Hilfsangebote weitervermitteln.

  • Stimmanalyse, um Einsamkeit, Schmerzen oder emotionale Belastung zu identifizieren.

2. Entlastung des Pflegepersonals

Künstliche Empathie kann Routineaufgaben übernehmen – z. B. im Sterbeprozess durch Grundinformationen oder beim Monitoring des emotionalen Wohlbefindens. Das schafft mehr Zeit für menschliche Zuwendung.

3. Kommunikation verbessern

Eine Studie in JAMA Internal Medicine zeigte: In 79 % der Fälle bewerteten Experten die Antworten eines KI-Chatbots als empathischer und qualitativ besser als die von Ärzten. KI kann so zur Schulung von Ärzt:innen beitragen, etwa in patientenzentrierter Kommunikation.

4. Empathie-Training durch VR

Virtual-Reality-Simulationen mit KI ermöglichen realistische Trainings für medizinisches Personal – besonders in schwierigen Gesprächssituationen. So lässt sich empathisches Verhalten gezielt einüben und verbessern.

5. Telemedizin mit Herz

In der digitalen Patientenversorgung fehlt oft persönlicher Kontakt. KI kann helfen, emotionale Nähe auch im virtuellen Raum herzustellen – etwa durch empathische Gesprächsführung und bedarfsorientierte Begleitung.

Chancen ja – aber nicht ohne ethische Leitplanken

So groß das Potenzial ist – es gibt auch Grenzen und Risiken. Die Integration von Künstlicher Empathie stellt hohe Anforderungen an:

  • Datenschutz und Sicherheit

  • Vermeidung manipulativer Nutzung

  • Verantwortungsvollen Umgang mit emotionaler Bindung an Maschinen

Es braucht daher klare ethische Rahmenbedingungen und einen ständigen Diskurs über Nutzen, Risiken und gesellschaftliche Auswirkungen.

Perspektiven für ein menschlich-digitales Gesundheitswesen

Prof. Jochen A. Werner und Prof. David Matusiewicz – beide Pioniere der Digitalen Gesundheit – setzen sich seit Jahren für ein smarteres Gesundheitswesen ein. Ihr Ansatz: Digitalisierung und Empathie dürfen kein Widerspruch sein. Im Gegenteil – technologischer Fortschritt muss die menschliche Dimension stärken.

„Für mich waren die Impulse von Jochen Werner sehr bereichernd. Technologie zu nutzen, um herauszufinden, was Menschen (ältere Menschen, Menschen mit Assistenzbedarf, etc.) bewegt, um gemeinsam zu lernen, ist für mich der Schlüssel, warum Mensch und Maschine zukünftig enger zusammenarbeiten sollten.“
Johanna Lingner, Evangelisches Johanneswerk gGmbH